Startschuss der Wohnungswirtschaft in die digitale Welt von morgen – das neue Telekommunikationsgesetz

Im Verbandsmagazin norddeutscher Wohnungsunternehmen – Betriebskosten aktuell, Ausgabe Juni 2022 – finden sich stets interessante und nutzbringende Artikel rund um das Thema der Wohnkosten.

Zum aktuell sehr kontrovers diskutierten Telekommunikationsmodernisierungsgesetz hat die PLANATEL ihre Einschätzung und Handlungsempfehlung dargelegt, die ab Seite 18 im Magazin gedruckt ist. Der Artikel ist online entweder per Download der PDF-Datei der Juni Ausgabe 77 oder auch direkt hier lesbar:

Von Dipl.-Ing. Jens Thaele und Dipl.-Ing. Wolfgang Voigt

Im Mai letzten Jahres hat der Bundesrat die Novelle des überarbeiteten Telekommunikationsgesetzes (TKG) verabschiedet. Die überwiegenden Reaktionen aus der Wohnungswirtschaft waren eher skeptischer Natur. Durchaus sehr verständlich, denn es entfällt auch das bislang geltende sogenannte Nebenkostenprivileg für Vermieter. Doch ein genauerer Blick in das am 1. Dezember 2021 endgültig in Kraft getretene Telekommunikationsmodernisierungsgesetz, wie es im Volltext ein wenig sperrig klingt, offenbart viele neue Chancen. Es setzt wichtige Impulse für einen schnelleren und konsequenteren Ausbau von Gigabitnetzen – der Grundinfrastruktur für Digitalisierung – auch in der Wohnungswirtschaft.

Da neue Chancen immer auch Risiken beinhalten, ist es zunächst wichtig, wesentliche Inhalte und Absichten des Gesetzes sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu verstehen. Nur so ist es möglich, die Änderungen vorteilhaft zu nutzen und künftige Fehler zu vermeiden. Dazu in der Folge einige Einblicke:

Was ändert sich konkret?

Vermieter können bisher sowohl die Betriebskosten für die gebäudeinterne Breitband-Infrastruktur als auch die Kosten für die TV-Versorgung auf die Mieter – das sogenannte Nebenkostenprivileg – umlegen. Das neue TKG regelt diese Umlagefähigkeit neu – mit einer Übergangsfrist für alte, bestehende Infrastrukturen bis zum 30. Juni 2024. Danach gilt ein völlig neues Verfahren, das sogenannte Glasfaserbereitstellungsentgeld. Im Übrigen gilt für neu errichtete gebäudeinterne Netzinfrastruktur bereits seit dem 1. Dezember 2021 ausschließlich das neue Verfahren zur Umlage und Refinanzierung.

Konsequenz:

Vermieter, die Bestandsverträge zur Breitbandversorgung ihrer Gebäude, mit Laufzeiten über den 30. Juni 2024 hinaus, mit Telekommunikationsunternehmen abgeschlossen haben, können das hierfür zu zahlende Entgelt im Rahmen der Mietnebenkosten ab dem Ende der Übergangsfrist nicht mehr auf die Mieter umlegen. Damit die Vermieter – falls dies nicht bereits in entsprechenden Vertragsklauseln berücksichtigt wurde – nicht einseitig auf diesen Kosten sitzen bleiben, ist im TKG-neu ein Kündigungsrecht mit Wirkung ab dem 1. Juli 2024 vorgesehen – welches den anderen Vertragsteil nicht zum Schadensersatz berechtigt.

Wer finanzielle Nachteile vermeiden will, sollte daher bestehende Verträge zur Breitband-TV Versorgung eingehend prüfen und ggf. von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Es besteht auch die Möglichkeit, den Vertrag mit dem Bestandslieferanten dahingehend anzupassen, dass dieser das Inkasso ihrer Mieter direkt übernimmt und gleichzeitig auch den Betrieb des Breitbandnetzes wie zuvor weiterführt …

Hört sich zunächst gut an; alle Probleme gelöst?

Durch eine plumpe Verlängerung wie oben beschrieben, sind die technischen Herausforderungen keinesfalls gelöst. Ein „Spielverderber“ ist das im TKG-neu wesentlich gestärkte Verbraucherrecht. Der Anspruch der Bürger auf selbst bestimmte, individuelle digitale Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben sowie diesbezüglich der Anspruch auf performante, breitbandige Internetzugänge. Aufgrund dessen können Mieter mit Ablauf des Übergangszeitraumes eigene Verträge zum Bezug von TV-Signalen auswählen. Dabei kann zwischen beliebigen Anbietern und Übertragungstechnologien (Antenne, Kabel, Satellit, IP- und Web-TV) ausgewählt werden.

Konsequenz:

Sie haben die „Nebenkostenfalle“ zwar abgewendet, laufen jedoch in die Gefahr eines unkontrollierten Wildwuchses im Wohnungsbestand: Verkaufskolonnen der Anbieter, SAT-Schüsseln an Fassaden, Dächern oder auf Balkonen sowie Einzelversorgungen (Stich) der Wohnungen durch unterschiedliche Medien und Anbieter sind die Folge.

Dies kann weitgehend verhindert werden, indem die gebäudeinterne Netzinfrastruktur auf einen zukunftsfähigen Glasfaser-Gigabitstandard gehoben wird, so dass ihre Mieter damit alle ihre künftigen Anforderungen bestens erfüllen können; ihr Angebot somit bevorzugt aus freien Stücken genutzt wird. Um diese Infrastruktur zu errichten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein und genau die sind im § 72 TKG-neu beschrieben und werden in Form eines zeitlich begrenzten Glasfaserbereitstellungsentgeldes gefördert.

Das Open-Access-Modell

Zum Verständnis des TKG-neu und was es fördert bzw. nicht fördert oder regelt ist es zunächst elementar wichtig, die Absicht hinter dem Gesetz zu verstehen:

Um den Ausbau der digitalen Glasfaserinfrastruktur maximal voranzubringen, spielt das Open-Access-Modell bei allen Überlegungen eine entscheidende Rolle. Open Access bedeutet, dass ein errichtetes Netzwerk von allen anderen Marktteilnehmern mitbenutzt werden kann. Dadurch wird der Ausbau effizienter, der Markt für Verbraucher transparenter und oftmals preisgünstiger.

Ebenfalls wird streng unterschieden zwischen der Infrastruktur – also der physikalischen Ebene – und den Diensten. Hier finden wir den Grund, weshalb weder der TV-Dienst noch andere Dienste gefördert werden, sondern nur die Infrastruktur selbst. Auch die Abrechnung wird komplett entkoppelt.

Das dieses Modell sehr gut funktionieren kann, haben skandinavische Länder wie Schweden bereits bewiesen. Ihr Vorsprung im landesweiten Breitbandausbau gegenüber Deutschland ist maßgeblich auf die Nutzung des Open-Access-Modells zurückzuführen.

Ein mögliches Refinanzierungsmodell: Das Glasfaserbereitstellungsentgeld

Aus diesem Modell und den erhöhten Verbraucherrechten ergeben sich nun einige Voraussetzungen, die für die Errichtung des Netzes und zur Erhebung des Glasfaserbereitstellungsentgeldes nebst Umlage auf die Mieter, mindestens erfüllt sein müssen (alle Einzelheiten sind den jeweils gültigen Gesetzestexten zu entnehmen):

  • Das Gebäude wird durch den Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit einer gebäudeinternen Netzinfrastruktur ausgestattet, die vollständig aus Glasfaserkomponenten besteht.
  • Die errichtete Netzinfrastruktur wird an ein öffentliches Netz mit sehr hoher Kapazität angeschlossen
  • Jeder Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten erhält unentgeltlichen Zugang zur gebäudeinternen Netzinfrastruktur am Hausübergabepunkt.
  • Der für die gebäudeinterne Netzinfrastruktur verantwortliche Betreiber muss in der Abrechnung des Glasfaserbereitstellungsentgeltes alle komplexen Transparenzvorgaben erfüllen (siehe auch § 72 Abs. 4 TKG-neu).

Sind alle Voraussetzungen erfüllt und die gebäudeinterne Netzinfrastruktur ist bis spätestens zum 31. Dezember 2027 funktionsfähig errichtet worden, dann

  • darf ein Glasfaserbereitstellungsentgelt von höchstens 5,00 Euro im Monat bzw. 60,00 Euro im Jahr erhoben und umgelegt werden,
  • gilt eine Laufzeit in Abhängigkeit der Investitionskosten von grundsätzlich fünf Jahren,
  • wird bei begründeten höheren Investitionskosten (aufwändige Maßnahme durch Nachweis der Kosten) ausnahmsweise eine Laufzeit von bis zu neun Jahren genehmigt

In Summe können somit über diesen Weg Investitionen von max. 540€ pro Wohnung innerhalb von neun Jahren refinanziert werden.

Alternative Refinanzierungsmodelle

Eine Refinanzierung unter Nutzung des Glasfaserbereitstellungsentgeldes ist hinsichtlich der Komplexität der Aufgabe das Naheliegendste; jedoch sieht der Rechtsrahmen weitere Möglichkeiten vor, die im Einzelfall interessant sein könnten.

  1. Der Ausbau der internen Gebäudenetze kann durch den Vermieter in eigener Verantwortung durchgeführt werden. Wird der Ausbau hier ebenfalls vollständig mittels Glasfaserkomponenten vollzogen und an ein öffentliches Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität angeschlossen, stellt dies eine Modernisierungsmaßnahme dar. Das berechtigt den Vermieter zur Erhöhung der Kaltmiete entsprechend den üblichen zivilrechtlichen Vorgaben für Modernisierungsmaßnahmen.
  2. Der Vermieter beauftragt ein Telekommunikationsunternehmen mit dem Ausbau und Betrieb der gebäudeinternen Netzinfrastruktur und vereinbart, dass über Art und Nutzen der installierten Netzinfrastruktur das Telekommunikationsunternehmen bestimmt. Das Telekommunikationsunternehmen kann seine Investition über die Endkundenverträge sowie Mitnutzungsentgelte anderer Telekommunikationsunternehmen refinanzieren.

Diese beiden Optionen stellen zwei extreme Alternativen zum „Modell Glasfaserbereitstellungsentgeld“ dar. Im Fall des Eigenausbaus hat der Vermieter/Eigentümer die volle Kontrolle, muss jedoch von Anfang an die komplexe Aufgabe und die Pflichten, die mit der Erstellung und den Betrieb einer Kommunikationslösung einhergehen, übernehmen. Tritt er im Gegensatz dazu alle Rechte und Pflichten an ein Telekommunikationsunternehmen ab, fehlt jede Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit.

Der eine oder andere Leser wird jetzt vielleicht einwenden, dass eine Entscheidung zugunsten des Glasfaserbereitstellungsentgeldes logisch und eindeutig sei; schlussendlich seien hier alle wichtigen Entscheidungen zur Erstellung und den Betrieb eines Glasfasernetzes geregelt. Antwort: Ja, aus Sicht des Gesetzgebers. Nein, aus Sicht des Eigentümers/Vermieters; denn „interessanter“ als ein Gesetzestext ist oftmals dasjenige, was dort nicht geregelt ist…

Was müssen Sie als Gebäudeeigentümer/Vermieter unbedingt beachten?

Die Beantwortung von zwei Fragen steht dabei im Vordergrund: Die Eigentumsfrage und das technische Design der zu verbauenden Infrastruktur.

Ohne spezielle Vorgaben wird das von Ihnen beauftragte Unternehmen die gebäudeinternen Netzwerke entsprechend einem standardisierten Leitfaden ausführen. Je nach Zustand, Ausstattung und Verwendungsziel der jeweiligen Gebäude kann dies erheblich von ihrem individuellen Bedarf für die nächsten Jahre abweichen und die Anforderungen an das Netzwerk erhöhen. Es spart enorm Kosten und Zeit, wenn zusätzlich notwendige Kabelkanäle, Faserpaare, Leerrohre oder Verteilerkästen in der Planung Berücksichtigung finden. Auch hier gilt, wie bei allen technologischen Baumaßnahmen, dass mit professioneller Unterstützung unnötige Kosten vermieden werden.

Unabhängig vom quantitativen Bedarf ist immer auch die Betriebs- und Wartungsfreundlichkeit des Netzes von hoher Bedeutung. Laufende Kosten sowie zyklische Instandsetzungen sollten auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Diesbezüglich kritisch zu beäugen ist daher das Netz- und Changemanagement, die Montagetechnik in allen Betriebs- und Kollokationsräumen, sowie der Einsatz von aktiver Technik.

Zwar übernimmt das beauftragte Telekommunikationsunternehmen bis zum Ablauf des Bereitstellungszeitraums den Betrieb des Netzes, doch danach sind die Gebäudeeigentümer für die Erhaltung der Betriebsbereitschaft der gebäudeinternen Netzinfrastruktur sowie für die Gewährung des offenen Netzzugangs verantwortlich – und lediglich der Betriebsstrom ist noch umlagefähig.

Und spätestens jetzt sollte dieEigentumsfrage umfassend geklärt sein. Nicht nur fest verbaute Kabel und Rohre, sondern auch sämtliche weiteren Netzkomponenten gehören in das Eigentum des Gebäudeeigentümers. Andernfalls sind Sie bei der Gewährung des offenen Netzzugangs oder im Fall von Reparaturmaßnahmen auf die Zustimmung des Telekommunikationsunternehmens angewiesen.

Im Klartext:

Die Entscheidung über ein Finanzierungsmodell, über Art und Umfang des Breitbandausbaus sowie der Vertragsvergabe an ein Telekommunikationsunternehmen sollte wohl kalkuliert auf Basis einer aktuellen Bestands- und Bedarfsanalyse getroffen werden.

Der Bedarf ergibt sich dabei aus der Digitalisierungsstrategie des Gebäudeeigentümers.

Am Anfang steht der strategische Ansatz, nicht eine bestimmte Technologie

Der Digitalisierungsgrad einer Immobilie wird für das Immobilien-Asset-Management zu einer zunehmend wichtigen Kenngröße; denn ein mit Glasfaser ausgestattetes Gebäude – mit darauf aufsetzenden digitalen Prozess- und Wertschöpfungsketten – kann enorm an Wert gewinnen. So analysiert ein erst kürzlich erschienener Report der BNP Paribas Real Estate Investment Management Gesellschaft die Megatrends in der Immobilienbranche und kommt zum Ergebnis, dass die Digitalisierung, der demographische Wandel und der Wandel der Lebensstile die Immobilienbranche wesentlich formen werden.

Die Entwicklung, dass Branchen, Industrien und Dienstleistungen zusammenwachsen, überlagert und verstärkt diesen Trend. Denn die Wohnungswirtschaft profitiert sowohl von der Möglichkeit Kernprozesse durch Vernetzung mit Versorgern und Entsorgern automatisiert – schlank und kostengünstig – abzubilden, als auch von dem Mehrwert, seinen Mietern das notwendige Umfeld für alle digitalen Dienste, wie z.B. E-Health, Gesundheits-Apps und weiterer Smart Home Anwendungen anzubieten. Viele dieser Trends kursieren im Markt unter dem Oberbegriff „Wohnungswirtschaft 4.0“.

Das gesamte Themenspektrum ist riesig, so dass Sie wie oben beschrieben einerseits für eine zukunftsfähige Grundinfrastruktur sorgen müssen, andererseits möglichst schnell die sogenannten „Quick-Wins“ angehen sollten; denn hier sind in aller Regel größere, schnelle Kosteneinsparungen zu erwarten. Unserer Erfahrung nach macht es am meisten Sinn, Anwendungen im Bereich  

• des Energie-Managements,

• des Sicherheits- und Gebäudemanagements

• und der Überwachung sowie Wartung von Anlagen

genauer unter die Lupe zu nehmen. Besonders im gesamten Wartungsumfeld gibt es kaum Projekte, die nicht zu positiven finanziellen Überraschungen führen. Etliche Hersteller haben ihre „digitalen Hausaufgaben“ bereits gemacht und können ihre Dienste aufgrund der Innovationen mittlerweile kostengünstiger und effektiver erbringen.

Resümee:

Das TV-Signal oder der Telefonanschluss spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Reifegrad eines Gebäudes hinsichtlich der Digitalisierung ist das tatsächliche Feld, welches für Immobilien-Asset-Manager künftig von hoher Relevanz ist.

Um wichtige Grundlagen dafür zu schaffen und Fehler zu vermeiden, sollten folgende Punkte Beachtung finden:

  • Die beste Refinanzierungsmöglichkeit entsprechend des neuen TKG ist immer abhängig vom individuellen Bedarf.
  • Der Bedarf sollte aus der Digitalisierungsstrategie des Immobilien-Asset- Managements abgeleitet werden und ggf. auch spezielle Anforderungen an die Breitbandversorgung von Gebäuden und Wohnungen beinhalten.
  • Für Neubauten ist Glasfaser alternativlos, für Bestandsimmobilien ist der kurz- oder mittelfristige Ausbau auf Glas dringend geboten und auch DASS Kernkriterium der Förderung entsprechend des TKG-neu.
  • Sinnvolle technologische Innovationen „Wohnungswirtschaft 4.0“ einplanen und „Quick-Wins“ priorisieren.
  • Standardverträge mit Anbietern sind in den seltensten Fällen ausreichend, individuelle Regelungen sollten verhandelt werden.
   Jens Thaele Fachautor & Partner der Planatel
Wolfgang Voigt
Wolfgang Voigt Partner der Planatel
Die Autoren sind Senior Berater im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik der PLANATEL® Planungs- und Beratungsgesellschaft mbH. Einer der Schwerpunkte ihrer Tätigkeit ist die strategische und technische Beratung wohnungswirtschaftlicher Unternehmen im Zusammenhang mit der Breitband- und Multimediaversorgung ihrer Gebäude.
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